13 Jahre – so lange dauert die Entwicklung eines Arzneimittels im Durchschnitt. Sobald im ersten Schritt ein potenziell geeigneter Wirkstoff gefunden ist, durchläuft er umfangreiche Tests, bevor er erstmals unter streng kontrollierten Bedingungen an Proband*innen verabreicht werden kann. Die klinischen Studien erfolgen typischerweise in drei Phasen. Erst wenn eine Substanz all diese Schritte erfolgreich durchlaufen hat, wenn die Wirksamkeit und Sicherheit dargestellt sind, kann die Zulassung erfolgen. Am Ende dieses Prozesses steht ein neues Medikament zur Verfügung.
Arzneimittelentwicklung ist ein aufwändiges, sehr kostenintensives und wirtschaftlich riskantes Unterfangen: von 5.000–10.000 Substanzen sind schon nach 5 Jahren im Schnitt nur mehr 9 aussichtsreich, und nur eine erhält die Zulassung.1
Zeit ist Leben. Um Arzneimittel effizienter zu entwickeln und damit rascher zu den Patient*innen zu bringen, setzen Pharmaunternehmen auf innovative Technologien. Intensiv wird derzeit an modernen Softwarelösungen gearbeitet, die unter den (breiten) Begriff der künstlichen Intelligenz (KI) fallen.2
Um gezielt vielversprechende Forschungsansätze in einem Therapiegebiet zu identifizieren, können KI-Modelle bereits jetzt in der Grundlagenforschung eingesetzt werden. Methoden wie maschinelles Lernen helfen dabei, Moleküle zu finden, die mit den biologischen Zielstrukturen effektiv interagieren.3
Modellierungs- und Simulationstechniken erlauben es, neue Moleküle bereits virtuell auf ihre Eignung als Arzneistoff zu untersuchen oder notwendige Anpassungen auf molekularer Ebene darzustellen. Ein Beispiel: Mit Hilfe von Hochleistungsrechnern und modernster Software ist es Pfizer gelungen, ein Arzneimittel bereits von der Molekülentwicklung an für eine orale statt einer intravenösen Darreichungsform zu planen und damit die Einnahme daheim zu ermöglichen.
Eine besonders „harte Nuss“ in der Arzneimittelentwicklung ist es, die dreidimensionale Struktur von Proteinen vorauszusagen, also die genaue Position der einzelnen Atome. Proteine sind große Moleküle, die mehrere Strukturebenen aufweisen. Diese Struktur ist für die Funktion eines Proteins, etwa seine Wirksamkeit als Arzneimittel, entscheidend. Mit Methoden der künstlichen Intelligenz wurden in der Strukturvorhersage bedeutende Fortschritte erzielt, Wirkstoffe können somit passgenauer entwickelt werden.2
Zu den folgenreichsten Entscheidungen in der Arzneimittelentwicklung gehört das „Aussortieren“ von Substanzen, die man nicht weiterverfolgen möchte – etwa deshalb, weil sie voraussichtlich wenig wirksam sind oder inakzeptable Nebenwirkungen haben. KI kann dabei unterstützen, die physikalischen Eigenschaften, die Bioaktivität, also den Einfluss einer Substanz auf den lebenden Organismus, und die Toxizität, das Maß für die schädigende Wirkung eines Wirkstoffkandidaten vorauszusagen und damit alle Kräfte für die aussichtsreichsten Kandidaten zu bündeln.2
In der klinischen Forschung fallen riesige Datenmengen an, die analysiert werden müssen. Es wäre denkbar, im Rahmen eines Studienprotokolls KI-gestützte Techniken wie maschinelles Lernen für automatisierte Qualitätschecks einzusetzen, um Hinweise – z. B. auf Qualitätsprobleme – in „Echtzeit“ zu erhalten und umgehend eine Überprüfung einzuleiten. Zudem könnte KI dabei unterstützen, umfangreiche patientengenerierte Daten, etwa zur körperlichen Bewegung oder zum Schlafrhythmus als „digitale Biomarker“ gezielt auszuwerten und einzubeziehen, da sie es möglich machen, Aussagen über die Gesundheit eines Menschen zu treffen.3
Produktion und Distribution sind auf kontinuierliche Datenanalysen angewiesen, damit Probleme rasch identifiziert werden können und deren Behebung veranlasst werden kann. So genannte Predictive-Maintenance-Systeme erleichtern die Wartung von z. B. Kühlschränken oder Laborgeräten – damit können mögliche Fehlerquellen erkannt und beseitigt werden, bevor sie zu tatsächlichen Ausfällen führen.4 Zudem ist es möglich, die Produktionskapazität im Zeitverlauf besser vorherzusagen und die Distribution entsprechend zu planen. Arzneimittel können damit deutlich rascher in den erforderlichen Mengen produziert und dort zur Verfügung gestellt werden, wo sie benötigt werden.
KI muss verantwortungsvoll eingesetzt werden. Das Potenzial der Technologie ist enorm, und ihr Einsatz muss ohne Ausnahme höchsten rechtlichen und ethischen Standards genügen. Pfizer hat grundlegende Prinzipien für einen verantwortungsvollen Umgang mit KI festgelegt, die bei allen Anwendungen von KI bei Pfizer berücksichtigt werden müssen.
Diese Grundsätze und Regeln gelten auch für generative KI – also KI-Modelle, die auf Basis großer Mengen gelernter Daten neue Inhalte generieren können. Generative KI bietet einerseits enorme Chancen, z. B. in der Beschleunigung von Innovationsprozessen und damit letztlich in einer rascheren Entwicklung dringend notwendiger Medikamente. Andererseits treten neue Schwierigkeiten auf, wie etwa im Bereich des Schutzes des geistigen Eigentums.
Pfizer beschäftigt sich intensiv damit, wie generative KI genutzt werden kann, um Gesundheitslösungen gerecht und verantwortungsvoll anzubieten.5
Quellen
1 PHARMIG, https://www.pharmig.at/arzneimittel/forschung-entwicklung/ (Letzter Zugriff: Mai 2024)
2 Chan HCS et al., Advancing Drug Disc overy via Artificial Intelligence. Trends Pharmacol Sci 2019; 40(8): 592–604
3 Weissler EH et al., The role of machine learning in clinical research: transforming the future of evidence generation. Trials 2021; 22: 537
4 AWS Helps Pfizer Accelerate Drug Development and Clinical Manufacturing. https://www.businesswire.com/news/home/20211202005591/en/AWS-Helps-Pfizer-Accelerate-Drug-Development-and-Clinical-Manufacturing (Letzter Zugriff: Mai 2024)
5 Three Principles of Responsibility for Artificial Intelligence (AI) in Healthcare. https://www.pfizer.com/news/articles/three_principles_of_responsibility_for_artificial_intelligence_ai_in_healthcare (Letzter Zugriff: Mai 2024)
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