Der Lungenkrebsspezialist OA Dr. Maximilian Hochmair hat Hoffnung für seine Patient*innen. Welche Entwicklungen und Fortschritte in den letzten Jahren dazu geführt haben, erklärt der Experte im Interview.
Menschen erkranken in Österreich jährlich an Lungenkrebs
Quelle: Statistik Austria
Wie ist die aktuelle Situation bezüglich Lungenkrebs in Österreich?
Bezieht man sich auf die Zahlen der Statistik Austria, so haben wir ca. 5.000 Neuerkrankungen und 4.000 Tote pro Jahr. In den letzten fünf Jahren stellen wir einen Zuwachs von 500 Patient*innen pro Jahr fest. Das ist eindeutig keine positive Entwicklung. Sieht man sich den Nichtraucherschutz im europäischen Vergleich an, ist Österreich im Mittelfeld. Hier gibt es immer noch Aufholbedarf. Die Gesetzesänderung hin zum generellen Rauchverbot in der Gastronomie ist jedenfalls positiv zu bewerten, wobei das nur ein Minimalziel ist. Denn generell ist bei 85-90 % der Lungenkrebs-Patient*innen das Rauchen schuld. Und obwohl Rauchen eindeutig der Hauptrisikofaktor für Lungenkrebs ist, gibt es dennoch rund 10 % der Patient*innen, die nie geraucht haben.
Welche Entwicklungen gibt es in der Diagnose-Stellung und in der Therapie?
Wir können heute klar feststellen, worauf der Tumor zurückzuführen ist. In der Behandlung gibt es drei Säulen: Chirurgie, Strahlentherapie sowie systemische antitumoröse Therapie. Anhand von Gewebeproben wird versucht, eine gemeinsame Therapieentscheidung zu treffen. Wenn ein*e Patient*in nicht operabel oder nicht lokal behandelbar ist, kommt die systemische Therapie zum Tragen. Hier gibt es dann wiederum zwei Wege: Die zielgerichtete Therapie sowie die Immuntherapie plus/minus Chemotherapie. Das ist ein Riesenunterschied zu früher! Wir sehen einen enormen Zuwachs an Wissen zu unterschiedlichen genetischen Veränderungen. Daneben sprechen wir auch nicht mehr nur von Lungenkrebs, sondern von einem kleinzelligen oder nicht-kleinzelligen Lungenkrebs.
Welche Fortschritte gibt es in der Behandlung von Lungenkrebs?
Die Fortschritte hier sind wirklich absolut elementar! Wir können heute mit unterschiedlichen Techniken genetische Analysen durchführen und dann entsprechende Untergruppen behandeln. Einige genetische Veränderungen können wir gezielt mit Tabletten behandeln.
Wie wirken sich die erweiterten Therapiemöglichkeiten auf die Lebensqualität und die Lebenserwartung der Patient*innen aus?
Bis zu 50 % der Patient*innen können heutzutage eine zielgerichtete Therapie erhalten, die – im Vergleich zur Chemotherapie – eine höhere Ansprechrate hat, sowie deren Nebenwirkungsrate in der Regel niedriger ist. Im Alltag muss man lediglich Tabletten einnehmen. So können Patient*innen beispielweise ganz oft weiter arbeiten gehen. Auch die zeitliche Belastung durch die Behandlung ist geringer, weil die Patient*innen im Schnitt nur alle ein bis drei Monate zur Untersuchung kommen müssen. Und schließlich ist auch bei der Lebenserwartung eine deutliche Verbesserung eingetreten. Zwar können wir Patient*innen in der Regel nach wie vor nicht heilen, aber ihr Leben deutlich verlängern.
Welchen Einfluss hatte die Corona-Pandemie auf Lungenkrebspatient*innen?
Prinzipiell zählen Lungenkrebspatient*innen zur Hochrisikogruppe. Wir wissen, dass Patient*innen, die an Lungenkrebs leiden und eine COVID-19 Infektion durchmachen, ein höheres Sterberisiko haben. Das heißt gleichzeitig, dass Schutzmaßnahmen, wie z. B. Masken, sowie die Impfung, gerade für Lungenpatient*innen hoch empfohlen sind.
Oberarzt Dr. Maximilian J. Hochmair, Leiter der pneumo-onkologischen Ambulanz + Tagesklinik – Klinik Floridsdorf
Können Patient*innen auch während einer Therapie geimpft werden?
Läuft eine Immuntherapie oder eine zielgerichtete Therapie, stellt die Impfung kein Problem dar. Auch während einer laufenden Chemotherapie können Lungenkrebspatient*innen geimpft werden. Die Impfung sollte aber immer erst nach ärztlicher Rücksprache erfolgen, damit diese nicht genau in einer Zeit, in der eine Immunschwäche vorliegt, verabreicht wird.
Was kann man für die Zukunft der Behandlung von Lungenkrebs erwarten?
Früher war bei allen Krebs-Patient*innen die Chemotherapie die vorherrschende Behandlungsmethode. Heute verstehen wir immer besser, warum ein Tumor wächst und auch wie Resistenzmechanismen funktionieren. Das hilft uns, den Tumor besser unter Kontrolle zu bringen. Beim Lungenkarzinom gab es früher wenig Entwicklung. Mittlerweile ist es aber fast schon ein Hype, sodass es so etwas wie eine Vorzeigeerkrankung ist, von der man auch bei anderen Erkrankungen lernen kann. Wir haben also Hoffnung für unsere Patient*innen!
Hinweis: Das Interview entstand 2019 in Kooperation mit Mediaplanet GmbH. 2022 wurde es umfassend aktualisiert.
Info: Durch intensive Forschung weiß man heute sehr viel über die Entstehung von Lungenkrebs. Das Rauchen ist immer noch der größte Risikofaktor, da die vielen krebserregenden Substanzen im Tabakrauch genetische Veränderungen hervorrufen können, die in weiterer Folge zu einer Krebserkrankung führen können. Bei einem kleinen Teil der Patient*innen sind die genetischen Veränderungen anderweitig verursacht. Bis dato wurden beim nicht-kleinzelligen Lungenkrebs, dem häufigsten Typ des Lungenkrebs, bereits mehr als 20 genetische Mutationen gefunden, die zur Krebsentstehung beitragen können. Manche davon können heute bereits mit zielgerichteten Therapien behandelt werden. Das bedeutet, dass diese Medikamente zielgerichtet diese genetischen Veränderungen angreifen und unschädlich machen. Dadurch kann das Wachstum der Krebszellen reduziert oder in manchen Fällen auch gestoppt werden. Obwohl zielgerichtete Therapien zumeist besser verträglich sind als eine Chemotherapie, führen auch diese Medikamente bei vielen Patient*innen zu unangenehmen und Lebensqualitäts-beeinträchtigenden Nebenwirkungen. Diese sollten mit dem behandelnden Arzt, der behandelnden Ärztin besprochen werden sollen, damit die Medikation an die individuelle Situation angepasst werden kann.
Eine Behandlung mit einem Medikament, das in den Blutkreislauf gelangt und damit den gesamten Körper (= das ganze System) erreicht. Dies kann eine Chemotherapie, ein zielgerichtetes Medikament oder auch ein Immuntherapeutikum sein.
Ein Medikament, das gezielt eine bestimmte Struktur der Krebszelle angreift. Das Ziel ist dabei in der Regel, die Vermehrung der Krebszelle zu verhindern und sie eventuell sogar zum Absterben zu bringen.
Das ist ein sehr weiter Begriff. In Bezug auf den Lungenkrebs und die hier momentan eingesetzten Medikamente ist damit ein Medikament gemeint, das die Zellen des Immunsystems aktiviert und sie dazu bringt, die Krebszellen unschädlich zu machen.
Krebszellen können gegen eine verabreichte Therapie resistent werden, indem sie genetische Veränderungen einleiten, die ihnen erlauben, trotz Therapie weiter zu wachsen. Da es sich hier um viele verschiedene Veränderungen handeln kann, nennt man diese gesammelt Resistenzmechanismen.
Ein prozentualer Anteil der Patient*innen, bei denen sich die Krebserkrankung unter einer bestimmten Therapie deutlich zurückbildet bzw. in manchen Fällen sogar verschwinden kann.
Krebserkrankungen entstehen durch Veränderungen im Erbgut von Zellen. Diese können bewirken, dass gesunde Zellen zu Tumorzellen werden, die unkontrolliert wachsen. So können bösartige Tumore entstehen, die andere Zellen verdrängen oder in das gesunde Gewebe einwachsen und es dadurch schädigen.
Verschiedene Faktoren können an der Entstehung von Lungenkrebs beteiligt sein. Der mit Abstand größte Risikofaktor ist das Rauchen, da fast 90 % der Lungenkrebspatient*innen Raucher*innen oder Ex-Raucher*innen sind. Außerdem können Luftschadstoffe aus Industrie und Verkehr, Asbest, ionisierende Strahlung und möglicherweise auch manche Infektionen zu Lungenkrebs führen.
Symptome
Folgende Beschwerden können auf Lungenkrebs hindeuten:
Wochenlang anhaltender Husten oder chronischer Raucherhusten, der sich plötzlich verschlimmert
Blutiger Auswurf beim Husten, auch in Verbindung mit Fieberschüben und Erschöpfung
Hartnäckige Bronchitis, die sich trotz Behandlung mit Antibiotika nicht bessert
Heiserkeit und Schluckbeschwerden
Atemnot, pfeifende Atemgeräusche
Schmerzen im Brustkorb
Rückenschmerzen im oberen Rückenbereich
Lähmungen und starke Schmerzen
Allgemeiner Kräfteverfall
Nachtschweiß
Starker Gewichtsverlust
Im frühen Stadium der Erkrankung verursacht Lungenkrebs selten Beschwerden. Deshalb werden kleinere Tumore in der Regel zufällig entdeckt, beispielsweise bei Röntgenuntersuchungen des Brustkorbs, die aus einem anderen Anlass durchgeführt werden.
Viele Beschwerden, die durch Lungenkrebs verursacht werden, können auch durch andere Erkrankungen der Atemwege hervorgerufen werden – auch im Zusammenhang mit dem Rauchen. Deshalb kann es vorkommen, dass Lungenkrebssymptome beispielsweise als schwere Bronchitis fehldiagnostiziert werden.
Häufig werden verschiedene Behandlungen kombiniert oder nacheinander eingesetzt, z. B.:
Operation
Bestrahlung
Systemische Therapien:
- Chemotherapie
- weitere medikamentöse Therapien, die auf die Signalwege und Stoffwechselprozesse der Tumorzellen einwirken können (sogenannte zielgerichtete Therapien)
- Immuntherapie
ergänzende therapeutische Maßnahmen wie z. B. Physiotherapie oder Ernährungsberatung.
Wie eine Lungenkrebserkrankung im Einzelfall behandelt wird, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, z. B.:
von der Art des Tumors (z. B. kleinzellig oder nicht-kleinzellig),
von der Größe und Ausbreitung im Körper,
vom Stadium der Erkrankung,
vom genetischen Profil der Tumorzellen und
vom allgemeinen körperlichen Zustand und Vorerkrankungen des/der Patient*in.
Die moderne Krebsforschung hat herausgefunden, dass hinter dem Begriff Lungenkrebs eine Vielzahl von unterschiedlichen Tumorerkrankungen der Lunge steht, die auf unterschiedliche Veränderungen im Erbgut von Zellen zurückgehen. Deshalb gibt es für Lungenkrebs keine Standardbehandlung, sondern die Behandlung wird möglichst genau auf den Einzelfall ausgerichtet.
In frühen Stadien der Erkrankung kann eine lokale, auf den Tumor ausgerichtete Therapie (meist ein chirurgischer Eingriff) eine Möglichkeit zur Heilung bieten. In der metastasierten Situation verfolgt die Therapie das Ziel, ein weiteres Fortschreiten der Erkrankung zu bremsen und die Lebensqualität der Patient*innen zu erhalten oder zu verbessern.
Zahlreiche neue Behandlungsansätze befinden sich derzeit in der Entwicklung. Die Krebsforschung setzt darauf, durch immer genauere Untersuchungen weitere Subtypen der Erkrankung zu identifizieren, um zusätzliche gezielte Behandlungsmöglichkeiten entwickeln zu können.
Die Selbsthilfegruppe möchten die Öffentlichkeit auf ihr Anliegen aufmerksam machen, Bewusstsein für die Krankheit schaffen und über die Möglichkeiten der modernen Diagnostik und Therapie informieren.
Der Verein ist die Anlaufstelle für Vorsorge und Früherkennung von Krebs, Hilfe für PatientInnen und Angehörige und Krebsforschung.
Die Lungenunion vermittelt Informationen sowohl aus dem schulmedizinischen als auch aus dem komplementärmedizinischen Bereich. Darüber hinaus bietet sie praktische Tipps und Strategien zur Vermeidung sowie zur Bewältigung der Erkrankung.
Forscher*innen arbeiten daran, die Behandlungssituation für Patient*innen laufend weiter zu verbessern.
Immuntherapien geben dem Körper die Fähigkeit zurück, selbst gegen den Krebs zu kämpfen.
Quellen:
Österreichische Krebshilfe. Lungenkrebs. URL: https://www.krebshilfe.net/information/krebsformen/lungenkrebs (zuletzt abgerufen im Dezember 2024)
Statistik Austria. Krebserkrankungen. URL: https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/gesundheit/krebserkrankungen (zuletzt abgerufen im Dezember 2024)
Österreichische Krebshilfe (2022). Lungenkrebs: Diagnose - Therapie - Nachsorge. URL: https://www.krebshilfe.net/fileadmin/user_upload/Dachverband/Brosch%C3%BCren/Lungenkrebs_2022.pdf (zuletzt abgerufen im Dezember 2024)
Digimed Verlag GmbH. Lungenkrebs rechtzeitig erkennen. URL: https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/definition/frueherkennung.html (zuletzt abgerufen im Dezember 2024)
Deutsches Krebsforschungszentrum. Lungenkrebs: Symptome und Früherkennung. URL: https://www.krebsinformationsdienst.de/lungenkrebs/symptome-und-frueherkennung (zuletzt abgerufen im Dezember 2024)
Österreichische Lungenunion: Lungenkrebs Infos. URL: https://www.lungenunion.at/category/lungenkrebs-2/lungenkrebs/ (zuletzt abgerufen im Dezember 2024)